Ein Plädoyer für die gute alte Kinder-Geburtstagsfeier…
Menschen ist es wichtig, dass sie gemeinsam/e Feste und Rituale pflegen, mit denen sie die besonders wichtigen Ereignisse in ihrem Leben, schöne wie traurige, begehen und bestehen können.
Manche, zugegebenermaßen ältere, Bildungsbiografie war geprägt von: Heute ist ein besonderer Tag, heute gehen meine Wünsche in Erfüllung, das heißgeliebte Kleid sowie die schwarzen Lackschuhe für besondere Anlässe werden hervorgeholt, obwohl es nicht Sonntag ist, auf den Tisch kommt, was es sonst nicht alle Tage gibt: das Lieblingsessen, nachmittags sogar noch Kuchen und es musste einem keiner sagen - es war über Stunden zu riechen! Dann der Besuch und mit ihm möglichst viele Geschenke, für beinahe 24 Stunden sind die Regeln außer Kraft gesetzt; es ist mein Tag; ich stehe im Mittelpunkt. Ich entscheide über die Spiele, die ganz begehrten, besonderen, mit Gewinnen… und ich bekomme oftmals den Sieg, manches Mal auch unverdient. Und die Nacht vor dem eigentlichen Tag war eine der längsten und aufregendsten…
Bereits Wochen im Voraus wurden Einladungen geschrieben und dann, aus aktuellen Gründen, doch nicht alle verschickt. Die Anzahl der im Gegenzug erhaltenen Einladungen stand im gedachten Verhältnis zur Beliebtheit der eigenen Person, die Verwandtschaft wurde aus geschenketechnischen Gründen immer akzeptiert, deren mitunter sehr aufdringlichen Geburtstagsküssen wich man mit den Jahren zunehmend souveräner aus.
Allerdings veränderte sich im Laufe der Zeit vieler Orten, sicherlich auch festgemacht an unserem Umgang mit „Zeit“ im Allgemeinen, dass Traditionen und Rituale weniger gepflegt und manches Brauchtum in Vergessenheit geriet. Eigenartige Entwicklungen geschahen im Sinne von: …feiern wir doch deinen Geburtstag mal im bekannten amerikanischen Schnellimbiss um die berühmte Ecke (hab` `nen Tisch bestellt), kennste doch, schick doch `mal `ne Einladung via sms, Handy oder E-Card an alle ´raus! Allerdings, so schloss sich erstaunlich schnell der Beobachtungskreis, war es damit dann mittlerweile oft auch mit dem Geburtstag-Feiern bereits auch getan. Bei diesen Arrangements war man auf jeden Fall vor Überraschungen gefeit.
Zunehmender Beliebtheit erfreute sich (in Institutionen) auch das Prinzip der Delegation: feiern „Sie“ doch in der Kita mal mit dem (?) Kind und ein Video, muss ja nicht lang sein, aber der… und die… sollten schon (vorteilhaft) zu sehen sein oder auch Fotos mit der Digicam, der Stick, den nehm` ich dann auch…. Ich bringe dann morgens die (Tiefkühl-) Torte (manches Mal auch „Schwarzwälder Kirsch“ mit Schnäpschen inklusive) mit und gepackte Beutelchen für die Spiele, die „sie“ dann spielen werden, na, schönen Dank aber auch! Die Frage nach häuslichen Ritualen rief und ruft mitunter größere Fragezeichen in den Augen des Gegenübers hervor. Als Konsequenz der Veränderung erwächst vor allem den Kitas (und nicht nur denen) eine erhebliche Bedeutung im Bereich der Fest- und Feiergestaltung. Es ist eben auch kein Widerspruch, dass auch die in der Vergangenheit bewährten Traditionen im Hier und Heute weitergelebt werden: wer einmal mit verbundenen Augen und dem Kochlöffel in der Hand auf der Jagd nach dem gut verstecktem Kochtopf (inkl. Geschenk) war, vergisst dieses Spiel-Gefühl nie wieder! Kinder brauchen vielfältige Erfahrungen und Erlebnisse im Umgang mit Traditionen, denn dies gibt ihnen ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit und hilft ihnen, erlebte Verluste/Veränderungen in verschiedensten Lebensaltersstufen zu verarbeiten. In unserer schnelllebigen Zeit erfahren sie zusehens, dass das, was heute noch da war, sich morgen eventuell schon verändert hat. Aber wenn sich Kinder fest verwurzelt fühlen, werden sie die Herausforderungen unserer Zeit sicher bewältigen. Wir wünschen allen Kindern die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit der Erkenntnis, dass Veränderungen sowohl "normal" und Teil des heutigen Lebens sind als auch die berühmte sichere Bindung durch Traditionen und Rituale, die sie unterstützend tragen werden. In diesem Sinne möchten wir unser verbindliches Teamkonzept zum Feiern von Kindergeburtstagen in der Einrichtung verstanden wissen: als identitätsstärkendes Angebot und verbindliches Recht im Rahmen demokratischer Teilhabe:
- Jedes Kind der Kita bekommt ein individuelles Geburtstagsgeschenk im gleichen Wert
- Bereits zum Frühstück sucht sich das Geburtstagskind spezielles, in allen Bereichen der Kita vorhandenes Geburtstagsgeschirr aus, welches ausschließlich ihm / ihr an diesem Tag zur Verfügung steht.
- Im Morgenkreis wird gemeinsam gefeiert, Geschwisterkinder sind willkommen! Es wird ein Geburtstagstisch festlich gestaltet, das Kind sucht sich (besondere) Spiele aus, es werden Geburtstagslieder gesungen und dieses Kind ist dann auch „Kind des Tages“.
- Ein Hinweis ist an alle Eltern erfolgt, was an Lebensmitteln zum Feiern erwünscht ist
- Von der Feier werden Fotos gemacht, die dann ins Kindergartenbuch / Sprachlerntagebuch des jeweiligen Kindes eingefügt werden.
- Jedes Kind bekommt an seinem Geburtstag etwas „Besonderes“ von uns, an dem jede/r erkennen kann, dass heute ein besonderer Tag für das Kind ist.
- Zeitweilig kommen die Kinder auch an diesem Tag bereits besonders gekleidet und tragen eine Krone, Diadem o.ä., dieses unterstützen wir
- Alle Bereiche kümmern sich um einen sog. Geburtstagsstuhl, der je nach Bereich ganz individuell gestaltet ist